Orchideen sind faszinierende Pflanzen, die du mit etwas Geduld und Sorgfalt zu Hause vermehren kannst. Es gibt verschiedene Methoden, um neue Orchideen zu ziehen – von der Teilung bis zur Vermehrung durch Samen. In diesem Artikel erfährst du, welche Techniken es gibt, welche Werkzeuge du brauchst und wie du Schritt für Schritt vorgehst. So kannst du deine Orchideensammlung erweitern und beeindruckende neue Pflanzen züchten!
Wichtige Grundlagen zur Orchideenvermehrung
Orchideen lassen sich in zwei Typen unterteilen:
- Monopodiale Orchideen: Haben einen einzigen Wachstumspunkt und wachsen in die Höhe (z. B. Phalaenopsis, Vanda).
- Sympodiale Orchideen: Haben mehrere Wachstumspunkte und wachsen in die Breite (z. B. Cattleya, Dendrobium).
Beide Typen können durch Stecklinge, Ableger oder Samen vermehrt werden. Die Teilung des Rhizoms eignet sich nur für sympodiale Arten, da monopodiale Orchideen diese Methode oft nicht überleben. Eine Vermehrung durch ein Blatt allein ist ein Mythos – es fehlen die nötigen Zellen. Ein Blatt mit Stängelstück kann jedoch funktionieren.
Wann vermehren? Der beste Zeitpunkt ist im Frühjahr (April–Mai), wenn die Pflanze aktiv wächst. Vermeide die Vermehrung während der Blüte oder im Winter, da die Orchidee dann empfindlicher ist.
Vorbereitung: Was du brauchst
- Substrat: Verwende spezielles Orchideensubstrat (z. B. mit Pinienrinde, Sphagnummoos und Torf). Normale Blumenerde führt zu Wurzelfäule.
- Werkzeuge: Desinfizierter (z. B. mit Alkohol) Messer oder Sekateur.
- Gefäße:
- Für Stecklinge/Ableger: Töpfe (200–500 ml) mit Drainagelöchern.
- Für Samen: Sterile Glasgefäße (ca. 400 ml).
- Für Blütenstiele: Transparente Plastikflaschen (0,5–1,5 l).
- Zusätze: Cytokininpaste (für Ableger), Wurzelstimulator (z. B. Kornevin), Holzkohlepulver, universelles Orchideendünger.
Tipp: Bereite alles vor und arbeite sauber, um Infektionen zu vermeiden.
Methode 1: Teilung des Rhizoms (für sympodiale Orchideen)
Die schnellste Methode, um sofort eine ausgewachsene Orchidee zu erhalten.
- Vorbereitung: Fülle einen Topf zur Hälfte mit Orchideensubstrat.
- Teilung:
- Wähle einen Punkt zwischen zwei Trieben, ohne die Pflanze aus dem Topf zu nehmen.
- Schneide mit einem desinfizierten Messer sauber durch das Rhizom.
- Trenne die neue Orchidee vorsichtig, ohne die Wurzeln zu beschädigen.
- Bestäube die Schnittstellen an Mutterpflanze und Ableger mit Holzkohlepulver.
- Einpflanzen:
- Setze die neue Orchidee in den Topf, fülle Substrat auf und fixiere sie ggf. mit einer Stütze.
- Gieße sparsam mit lauwarmem Wasser.
- Standort: Stelle sie an einen hellen Ort mit indirektem Licht (20–25 °C).
Tipp: Pflege die neue Orchidee wie die Mutterpflanze – sie braucht ähnliche Bedingungen.
Methode 2: Vermehrung durch Ableger („Kinder“)
Geeignet für beide Orchideentypen, aber zeitintensiv und erfordert Präzision.
- Schlafende Knospe aktivieren:
- Suche eine Knospe am Blütenstiel (verdeckt von einer trockenen Schuppe).
- Entferne die Schuppe vorsichtig mit desinfizierten Scheren (z. B. Nagelschere).
- Trage eine winzige Menge Cytokininpaste (mit einem Zahnstocher) auf die Knospe auf. Zu viel Paste führt zu schwachen Ablegern.
- Wickele die Stelle mit Frischhaltefolie ein.
- Warten: Nach 25–30 Tagen bildet sich ein Ableger. Entferne die Folie, sobald er wächst.
- Pflege:
- Füttere die Mutterpflanze alle 1,5–2 Wochen mit verdünntem Orchideendünger (vorher Substrat befeuchten).
- Warte 4–5 Monate, bis der Ableger eigene Wurzeln (ca. 2–3 cm) hat.
- Trennen und einpflanzen:
- Schneide den Ableger 1–1,5 cm unter den Wurzeln ab.
- Tauche die Schnittstelle in Wurzelstimulator, lass 2–4 Stunden trocknen.
- Pflanze den Ableger in einen kleinen Topf mit Substrat, gieße sparsam.
- Standort: Heller Platz mit indirektem Licht (20–25 °C).
Tipp: Sei geduldig – die Entwicklung des Ablegers braucht Zeit.
Methode 3: Vermehrung durch Stecklinge
Funktioniert bei beiden Orchideentypen, entweder mit Blütenstielen oder (bei sympodialen Arten) Stängeln.
- Stecklinge vorbereiten:
- Blütenstiele:
- Schneide den abgeblühten Blütenstiel nah am Ansatz ab, bestäube die Schnittstelle der Mutterpflanze mit Holzkohle.
- Teile den Stiel in 7–10 cm lange Stücke (jeder mit einer Knospe) oder lasse ihn ganz.
- Entferne die Schuppen von den Knospen, trage minimal Cytokininpaste auf.
- Stängel (sympodiale Arten):
- Wähle gesunde Triebe (z. B. bei Umpflanzung).
- Schneide Stecklinge (5–7 cm) mit Blättern oder Knospen ab.
- Bestäube Schnittstellen der Mutterpflanze mit Holzkohle, tauche Stecklingsenden in Wurzelstimulator, lass 2–4 Stunden trocknen.
- Blütenstiele:
- Wurzeln lassen:
- In Substrat (Stängel):
- Fülle einen Topf zu ⅔ mit Substrat, setze den Steckling ein, fixiere ihn ggf. mit einer Stütze.
- Bedecke mit einer Plastiktüte für ein Gewächshausklima, lüfte täglich 10–15 Minuten.
- Gieße sparsam, sobald Wurzeln sichtbar sind, die Tüte schrittweise entfernen.
- In Wasser (Blütenstiele):
- Fülle 2–3 cm Wasser in eine Plastikflasche, lege den Blütenstiel hinein, verschließe sie.
- Stelle sie an einen hellen Ort (20–25 °C).
- Nach 3 Monaten, wenn Ableger mit Blättern erscheinen, öffne die Flasche.
- Wickele die Ablegerbasis mit feuchtem Sphagnummoos, fixiere es und verschließe die Flasche wieder.
- Sobald Wurzeln wachsen, schneide die Ableger ab, behandle sie mit Wurzelstimulator und pflanze sie in Substrat.
- In Substrat (Stängel):
- Pflege: Halte das Substrat leicht feucht, stelle die Pflanze an einen hellen, warmen Ort.
Tipp: Wasser-Vermehrung ist ideal für Blütenstiele, Substrat für Stängel.
Methode 4: Vermehrung durch Samen
Diese Methode ist sehr anspruchsvoll und erfordert sterile Bedingungen, aber sie ermöglicht viele neue Pflanzen.
- Vorbereitung:
- Sterilisiere Glasgefäße und Deckel 15–20 Minuten in kochendem Wasser, lass sie trocknen.
- Bereite eine Nährlösung zu: 500 ml destilliertes Wasser, 10 g Zucker, 7,5 g Agar-Agar, Orchideendünger (nach Anleitung), 25 g Bananenpüree.
- Mische alles, koche es unter Rühren, bis es dick wird. Prüfe den pH-Wert (4,8–5,5, ggf. mit Essig oder Zitronensäure anpassen).
- Fülle die Lösung zu ¼ in die Gläser, lass sie abkühlen, bis sie geliert.
- Sterile Zone schaffen:
- Koche Wasser in einem Topf, um eine Dampfzone zu erzeugen. Arbeite darüber, um Keime zu vermeiden.
- Desinfiziere deine Hände.
- Samen vorbereiten:
- Gib die Samen in ein steriles Gefäß, bedecke sie mit 2–3 ml Wasserstoffperoxid, rühre um.
- Ziehe die Mischung mit einer sterilen Pipette auf, spritze sie in die Gläser, verschließe sie sofort.
- Verteile die Samen durch Schwenken.
- Keimung:
- Stelle die Gläser an einen hellen Ort (10–12 Stunden Licht, z. B. mit Phytolampe, 20–23 °C).
- Öffne die Gläser nicht, um Infektionen zu vermeiden.
- Warte 1–9 Monate, je nach Sorte, bis Keimlinge mit 2–3 cm Wurzeln erscheinen.
- Einpflanzen:
- Entferne das Gel vorsichtig, spüle die Keimlinge sauber.
- Pflanze sie in kleine Töpfe (100–200 ml) mit Orchideensubstrat.
- Befeuchte das Substrat, sprühe die Pflanzen mit verdünnter Bernsteinsäure zur Stressreduktion.
Tipp: Halte die Umgebung steril, da Keimlinge sehr empfindlich sind.
Pflege der jungen Orchideen
- Licht: Heller Standort mit indirektem Licht, 10–12 Stunden täglich.
- Temperatur: 20–25 °C, keine Zugluft oder direkte Sonne.
- Gießen:
- März–Oktober: Wöchentlich, wenn das Substrat trocknet.
- November–Februar: Alle zwei Wochen.
- Nutze Ober- oder Tauchbewässerung, vermeide Wasser in der Blattrozette (monopodiale Arten).
- Düngen: Alle 1,5–2 Wochen mit verdünntem Orchideendünger.
Tipp: Beobachte die Wurzeln – sie sollten silbrig sein, wenn sie Wasser brauchen, und grün, wenn sie feucht sind.
Häufige Fehler vermeiden
- Falscher Zeitpunkt: Vermehrung während der Blüte oder im Winter schwächt die Pflanze.
- Unsterile Bedingungen: Keime können Samen oder Stecklinge zerstören.
- Zu viel Paste: Übermäßige Cytokininpaste führt zu schwachen Ablegern.
- Fehlendes Substrat: Normale Erde schadet Orchideenwurzeln.
Tipp: Arbeite sauber und geduldig, um die besten Ergebnisse zu erzielen.
Neue Orchideen leicht gemacht
Die Vermehrung von Orchideen zu Hause ist eine spannende Möglichkeit, deine Sammlung zu erweitern. Ob durch Teilung, Ableger, Stecklinge oder Samen – jede Methode hat ihren Charme. Mit der richtigen Vorbereitung, etwas Geduld und Sorgfalt kannst du neue, prachtvolle Orchideen züchten. Starte im Frühjahr, wähle die passende Technik und freue dich auf blühende Ergebnisse!